Automieten in Neuseeland: Kampf der Kulturen

// Oder: Ein automobiles Lehrstück über neuseeländische und deutsche Mentalitäten

 In Neuseeland

Wenn Deutsche nach Neuseeland reisen, dann ist und bleibt dieses Unterfangen ein großer Kampf der Kulturen. Sicht- und spürbar wird dieser ‚Clash of Civilizations‘ bei ganz banalen Angelegenheiten. Bei der Anmietung von Autos beispielsweise. Und bei der Rückgabe derselben. So war es jedenfalls heute bei uns. Wobei am Ende noch nicht einmal klar ist, wer letztlich den Sieg davongetragen hat: die deutsche Prinzipienethik oder das neuseeländische laissez-faire.

Aber kurz der Reihe nach: heute stand ja die Rückgabe unseres kleinen roten Autos in Christchurch an (ein Hoch auf den treuen, wendigen und flinken Suzuki Swift!) und der Wechsel auf unseren Campingbus. Eigentlich keine große Angelegenheit. Aber der Teufel steckt bekanntlich seit jeher im Detail.

Und hätten wir nur unseren Brecht besser gelesen, so wären wir auch gescheiter was das Pläne-Machen angeht. Und noch viel mehr wären wir skeptisch, was das Vertrauen betrifft, dass Pläne auch aufgehen. Geplant war nämlich, dass wir früh und fix starten. Am Vormittag den Wechsel der Autos absolvieren und dann spätestens am Mittag Richtung Norden losfahren. Unsere Unterkunft lag strategisch günstig nur 15 km von Christchurch entfernt. Was sollte da schon schiefgehen?

Unterm Staub ist es immer noch rot

Die große Frage: Wie dreckig darf ein Mietauto bei der Rückgabe sein?

Der erste Haken: das Auto, das der Vermietfirma übergeben werden soll, war einstmals bordauxrot. Nach unserer 4.000-Kilometer-Runde über Neuseelands Südinsel (davon grob geschätzt 450 Kilometer Schotterpiste) ist davon kaum mehr etwas zu sehen; der Heckbereich ist stellenweise millimeterdick mit Staub verkrustet. Uns war das bislang ziemlich egal, aber schön ist das nicht.  Und vor allem schwant uns, dass wir eventuell in Erklärungsnöte geraten könnten, da die Autovermieter nur ausnahmsweise die Fahrt auf den Gravel-Roads gestatten.

Doch die Deutschen (also in diesem Fall: wir) wollen nicht in die neuseeländischen Geschichtsbücher als diejenigen eingehen, die solche Drecksautos zurückgeben. Und damit nimmt das Unheil seinen Lauf.

Die nächste Autowaschstation ist rund 8 Kilometer entfernt (allerdings in die verkehrte Richtung, also fahren wir erstmal wieder dahin zurück, wo wir am Vorabend hergekommen waren). Dort angekommen versuchen wir uns ziemlich dilettantisch an einer ersten Vorwäsche bevor wir das Auto zur Hochglanzpolitur in die daneben befindliche Waschanlage fahren wollen.

Ein dreckiges Auto bleibt ein dreckiges Auto

Die Entfernung der Staubkruste aus den Türfalzen und Kofferraumseitenbereichen scheitert grandios. Die Kruste ist weg, zurück bleibt: dreckiges Geschmier. Damit ist wenig gewonnen, aber Zeit verloren. Uns fällt ein, dass irgendwo auf den Autovermietfirmaformularen was von einer Uhrzeit geschrieben ist, zu der das kleine Auto zurückerwartet wird. 9:30 Uhr steht da. Und irgendwas davon, dass die Rückgabe bis 10:30 Uhr noch irgendwie o.k. sei, nach dieser Frist allerdings eine Verspätungsgebühr in Höhe einer Tagesmiete erhoben werde.

Zu diesem Zeitpunkt ist es 9.55 Uhr. Und wir stehen 22 Kilometer vom Rückgabeort entfernt an irgendeiner Tankstelle mit einem unglaublich dreckigen Auto. Aber immerhin ist der Dreck jetzt nicht mehr staubtrocken verkrustet, sondern eingeweicht. Für die Waschstraße sollte das jetzt doch ein Kinderspiel sein, das kleine Auto blitzblank zu schrubben. Dumm ist nur, dass vor der Waschanlage mittlerweile drei andere Autos warten (bei unserer Ankunft stand dort genau… keines!).

Wir holen uns also den Code für das Waschprogramm in der Tankstelle und warten. Und wir schwitzen! Wir schwitzen, weil es nun schon 10:10 ist und wir immer noch brav warten. Die Fahrer vor uns wählen das Hochglanz-Exclusiv-Programm und das dauert… sehr lange!

Die Telefon-Hotline ist ‚busy‘ – wir sind es auch

Wir warten also geduldig weiter. Immerhin haben wir genug Zeit, um bei der Hotline der Verleihfirma anzurufen. Die unterscheidet sich zunächst überraschenderweise recht wenig von üblichen deutschen Hotlines. Es gibt minutenlanges Gedudel und den Hinweis, dass es gerade sehr ‚busy‘ sei, aber gewiss bald ein Mitarbeiter Zeit finden werde.

Zwischenzeitlich sind wir zwei Positionen vorgerückt und es ist 10:25 Uhr. Und tatsächlich ist jetzt am anderen Ende der Hotline eine menschliche Stimme zu hören. Die Info, dass wir gerade eigentlich ein Auto zurückgeben sollten, sich das Manöver aber dummerweise etwas verzögert, bringt sie nicht groß aus der Ruhe. Die Filiale in Christchurch habe ja noch geöffnet ist die Auskunft und wir sollten halt sagen, dass viel Verkehr gewesen sei, dass ginge dann schon klar.

Alles klar? Wenigstens ist jetzt die Einfahrt zur Waschanlage für uns und unser immer noch dreckiges Auto frei. Wir fahren ein und werden besprüht, eingeschäumt, mit rotierenden Waschwalzen traktiert, gerubbelt und geduscht. Wenige Minuten später ist die Aktion beendet und wir steigen kurz aus, um das Ergebnis zu begutachten. Die gute Nachricht: da steht ein erkennbar bordeauxrotes Auto vor uns. Die (für kritische deutsche Augen) schlechte Nachricht: irgendwie dreckig ist es immer noch.

Aber für ästhetische Mäkeligkeiten ist jetzt definitiv keine Zeit mehr. Es ist 10:40 Uhr und wir haben damit auch die Kulanzfrist überschritten; höchste Zeit für die längst überfällige Rückfahrt nach Christchurch. Weil nach den schweren Erdbeben in den letzten Jahren in und um Christchurch zahlreiche neue Straßen gebaut wurden, tut sich unser Navi etwas schwer und beschert uns ein ungeplantes Sightseeing in einem Industriegebiet. Wir schwitzen wieder! Und wir legen uns eine Erklärung zurecht, wie wir den ‚delay‘ rechtfertigen. Mit sooo langen Warteschlangen vor der Autowaschanlage konnte ja niemand rechnen…

Neuseeländische Pragmatik vs. Deutsche Pünkt- & Kleinlichkeit

Um 11:01 Uhr ist es dann aber soweit: wir biegen auf den Hof der Autoverleihfirma ein. Wir parken, steigen aus, hasten in das Service-Gebäude. Dort: jede Menge geschäftiges Treiben und andere Kunden, die ihre Autos abholen. Und: es interessiert sich niemand für uns. Alle Mitarbeiter sind gut beschäftigt. Wir sind einen Moment ratlos und laden unsere großen Rucksäcke aus unserem kleinen, inzwischen wieder halbwegs bordauxroten Auto aus. Da kommt ein junger Kerl im Poloshirt der Verleihfirma um die Ecke. Wir steuern auf ihn zu und holen tief Luft, um zu erklären, wie und weshalb…

Doch er kommt uns zuvor: Ob wir zu einem ‚Drop off‘, also zur Rückgabe da seien? – Yes!, antworten wir. Er lächelt und streckt die Hand nach dem Autoschlüssel aus. Ob der Wagen gut gelaufen sei und ob es irgendwelche Besonderheiten gegeben hätte?, erkundigt er sich. – Nein!, keine Zwischenfälle und Ja!, das kleine Auto habe uns wunderbar über die Südinsel kutschiert. Er findet das: Awesome! Und er lächelt. Er nimmt den Schlüssel und tut so, als sei die Sache damit in wunderschönster Ordnung. Keine Unterschrift, keine Quittung und vor allem kein Blick auf die Uhr.

Und er wünscht uns einen schönen Tag. Und er fragt, ob wir ein Shuttle zum Flughafen wollen. Als wir verneinen, fragt er nach, was denn unser nächstes Ziel in Neuseeland sei. Wir zögern für einen klitzekleinen Moment und antworten dann wahrheitsgemäß (‚to be honest‘), dass wir jetzt auf einen Campervan wechseln. Allerdings, ähm… tja, einen von der Konkurrenz. Das findet er auch: Awesome! Dufte! Klasse! Kein Problem! Wir sollen eine gute Reise haben.

So sind sie, die Neuseeländer. Meistens jedenfalls. Alles nicht soooo streng. Nur wir Deutschen nehmen es genau. Machen uns Stress, weil da irgendeine Uhrzeit geschrieben steht. Und wir setzen uns unter (Zeit-)Druck. Da könnten wir noch einiges von den Kiwis lernen. Wir sollten solche Sachen nicht so genau und kleinlich nehmen. Nicht auf die Minute genau.

Da wird ein ein bordauxrotes Auto zurückgebracht, das eine gewisse Ähnlichkeit mit demjenigen Fahrzeug hat, das der Kunde vor 3 ½ Wochen abgeholt hat. Und damit ist es auch gut. Awesome!

* Bei der Vermietfirma mit den sympathisch unkomplizierten Mitarbeitern handelt es sich um die Firma Jucy, mit der wir weder verwandt noch verschwägert, noch in andere Weise verbandelt sind.

Lese-Tipps
5 Kommentare
  • Papa
    Antworten

    Das war ja ganz schön aufregend!
    Habt ihr eine Ahnung, was passiert wäre, wenn ihr einfach das dreckige Auto abgegeben hättet?

    • Kaya
      Antworten

      Vermutlich gar nichts. Es wurde ja nichtmal genauer angesehen…

    • Marc
      Antworten

      Naja, schwer zu sagen, nachdem es wirklich sehr dreckig war, hätte es schon sein können, dass sie uns irgendeine Reinigungsgebühr aufs Auge drücken, was auch in Ordnung gewesen wäre. Problematischer war einfach der Umstand, dass das Auto sichtbar von vielen ‘gravel roads’ eingesaut war. Und nachdem die zwar nicht kategorisch verboten sind, aber doch nur in Ausnahmefällen zugestanden werden, wäre das nicht so ideal. Denn dann würden die vermutlich bei der Inspektion nach der Rückgabe sehr genau nachschauen, ob irgendwo Kratzer, Steinschläge o.ä. zu finden sind. Und das muss ja nicht sein.

  • Christiane
    Antworten

    How to be German in foreign countries, example no. 345 😜
    In der Tat ein Lehrstück. Und laissez-faire hat eindeutig gewonnen, denn ihr habt die grauen Haare gekriegt! Und noch nicht mal das late fee haben sie euch bezahlen lassen! Das sind ja schon fast gesetzlose Zustände! 😆😉

    Viel Spaß weiterhin!

    • Marc
      Antworten

      Ja, genau. :-)
      Wir sind ja geständig und reumütig. Und wir hadern ein wenig mit unseren irgendwie doch deutschen Genen (wo die auch immer herkommen mögen).

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